Neurorehabilitation – Was ist das eigentlich?

Was ist Neurorehabilitation?
Wo heute neben der direkten Behandlung des Menschen am Körper durch Therapeuten auch Hightech-Geräte eingesetzt werden, reicht die Geschichte der Neurorehabilitation deutlich weiter zurück. Der Begriff “Rehabilitation” geht auf das Lateinische “Habilitare” oder “Reconcilio” zurück, was soviel bedeutet wie “Wiederherstellen” oder “Wiederaufbauen”. Damals wurde der Begriff jedoch nicht nur für die Gesundung eines Kranken verwendet, sondern auch, wenn eine Person ihre Rechte und ihren Stand in der Gesellschaft wiedererlangte.
Wer braucht Neurorehabilitation?
In der Medizin geht es heute darum, verlorengegangene Funktionen bei neurologisch erkrankten Menschen wiederherzustellen. Das meint, Patienten sollen so gut auf ihr Leben vorbereitet werden, dass sie im besten Fall ihre Selbstständigkeit vollständig zurückgewinnen oder zumindest so weit, dass sie das Leben wieder weitestgehend ohne Unterstützung und selbstbestimmt meistern. Unter anderem bei folgenden Erkrankungen erhält man häufig Neurorehabilitation:
- Tumore des Zentralen Nervensystems
- Schlaganfälle
- Hirnblutungen
- Schädel-Hirn-Traumata
- Infektionskrankheiten des Gehirns
- Multiple Sklerose
- Muskelerkrankungen
- Epilepsie
In der Akutphase der Behandlung geht es darum, die wesentlichen Symptome der Erkrankungen unter Kontrolle zu bringen, bspw. bei einer Hirnblutung die Blutung zu stoppen und das Blut aus dem Hirn zu entfernen. Welche Folgen die Erkrankungen und ihre Symptome haben, wird meist erst danach klar und unterscheidet sich von Patient zu Patient.
An genau diesem Punkt kommt die Neurorehabilitation ins Spiel.
Die Symptome, die in der Neurorehabilitation sehr häufig behandelt werden und bei neurologischen Erkrankungen oft auftreten, sind die folgenden:
- Lähmungen, bspw. in den Händen, Armen oder Beinen
- Störungen in Denken und Handeln, bspw. Schwierigkeiten mit dem Gedächtnis, der Aufmerksamkeit oder der Handlungsplanung
- Schluckstörungen
- Störungen des Gleichgewichtssinns und des Gangs
- psychiatrische Erscheinungen, bspw. Depression
- Sprachstörungen
- Raumwahrnehmungsstörungen und Einschränkungen des Gesichtsfelds
- Schmerzen
Die Behandlung dieser Symptome steht in der Regel im Vordergrund, um die Patienten auf das alltägliche Leben vorzubereiten. Dafür müssen beispielsweise Fähigkeiten wie die Bewegung von Armen und Beinen, die Fähigkeit zu sprechen oder sich zu konzentrieren, gegeben sein.
Damit ist das Wiedererlangen dieser kritischen Funktionen oft eine Grundvoraussetzung für die Rückkehr in den Alltag. Das Behandlungsspektrum in der Neurorehabilitation ist daher so vielfältig wie verschieden. Für jede der genannten Einschränkungen gibt es unterschiedliche Behandlungsansätze. In der neurologischen Rehabilitation treffen sich daher oft die Physiotherapeut:innen mit den Logopäd:innen, den Ergotherapeut:innen, den Neuropsycholog:innen oder den Psychotherapeut:innen. Das Therapieangebot wird stets an den spezifischen Bedürfnissen der Einzelperson orientiert, um die Rückkehr in das alltägliche Leben ohne Hürden zu ermöglichen.
Welche Rehabilitationsphasen gibt es?
Was banal klingt, ist oft schwieriger, als man es sich vorstellt: Manche Patienten haben Schwierigkeiten damit, ihrem bisherigen Beruf nachzugehen, sind aber ansonsten weitestgehend mobil und frei darin, alltäglichen Tätigkeiten wie der Zubereitung von Essen oder dem Ankleiden nachzugehen. Andere wiederum leiden darunter, einem Gespräch nicht mehr folgen zu können. Es gibt also nicht “DEN” Patienten in der Neurorehabilitation. In welchem Stadium sich Patienten in ihrer Rehabilitation befinden, wird mittels der Phasen der neurologischen Rehabilitation abgebildet. Diese Phasen werden wie folgt beschrieben:
- Phase A – Akutversorgung: In dieser Phase befinden sich Patienten in akuter Behandlung, bspw. weil ein Schlaganfall aufgetreten ist. Es geht darum, die aufgetretenen Symptome zu behandeln, dies findet meist auf der Intensivstation statt.
- Phase B – Frührehabilitation: Durch intensive Pflege und frühe Therapien werden Patienten direkt nach der Akutversorgung darauf vorbereitet, weiterführende Therapien zu erhalten. Oftmals befinden sich Patienten hier noch im Koma oder haben Bewusstseinsstörungen. Schwere Gesundheitsschäden wie Knochenbrüche oder Hirnblutungen wurden hier bereits behandelt und der Patient ist stabil.
- Phase C – Weiterführende Rehabilitation: Patienten sind jetzt bereits in der Lage, aktiv an Therapien mitzuarbeiten. Sie benötigen keine Intensivpflege mehr und gewinnen schrittweise Selbstständigkeit zurück.
- Phase D – Anschlussheilbehandlung: Die Bewältigung wesentlicher Aktivitäten des täglichen Lebens gelingt bereits wieder. Therapien werden an den verbliebenen Schwierigkeiten orientiert.
- Phase E – Berufliche Rehabilitation und Nachsorge: Patienten kehren meist in ihr häusliches Umfeld zurück. Nun wird die Rehabilitation in die Hände ambulanter Therapeuten gelegt, der Schwerpunkt liegt darin, bereits erreichte Therapieerfolge zu festigen.
- Phase F – Aktivierende Langzeitpflege zur Zustandserhaltung: Patienten, deren Rehaerfolge es nicht ermöglichen, die Rückkehr ins alltägliche Leben zu meistern, erhalten Therapien, die sich daran orientieren, den bisherigen Zustand zu erhalten, um einer erneuten Verschlechterung entgegenzuwirken.
- Phase G – Betreutes und begleitetes Wohnen: Für einige Patienten ist der Übergang in ein betreutes Wohnen eine Option. Hier wird weiterhin ein gezieltes Pflege-, Therapie- und Betreuungsangebot geschaffen.
In welcher Phase sich Patienten befinden, entscheidet darüber, welche Therapien man erhält und welche Technologien eingesetzt werden. Das kann von Physiotherapie zu Gesprächstherapien über den Computer bis hin zu Gangrobotern reichen. Was dem Einen leicht fällt, ist für den Anderen noch eine große Herausforderung. Nicht jede Therapie ist für jeden geeignet. Daher ist eine genaue Planung und Anpassung der Therapien wichtig. Die Therapieplanung bezieht dabei stets die individuellen Therapieziele der Patienten mit ein.
Welche Rolle es bei der Reha spielt, den Übungen einen greifbaren Sinn zu geben, erzählen wir Euch in unserem nächsten Beitrag über die Kontextsensitivität!